Zermatt-Marathon: Radiergummi als Motivationsspritze
Lineal ansetzen. Saubere Linie. Gestrichen. Bis vor wenigen Wochen das Laufsportritual des Jahres 2015. Ein Wettkampf nach dem anderen fiel meinen gesundheitlichen Problemen zum Opfer: kein Dietiker Neujahrsauf zum Jahresauftakt. Kein Reusslauf in Bremgarten, um Tempo aufzunehmen. Kein Grand Prix in Bern – allen Traditionen zum Trotz.
Und nach dem mehr als ärgerlichen Zehenbruch Mitte März, just damals als sich der Musculus Piriformis einigermassen zu beruhigen schien, war auch der Zermatt-Marathon 2015 auf einen Schlag – nein, besser: auf einen Tritt – definitiv kein Thema mehr. Lineal. Linie. Gestrichen.
Mit Bleistift wohlgemerkt. Und vor etwa zwei Wochen habe ich klammheimlich den Radiergummi aus der Schublade geholt. Die Kombination aus Rückkehr in den Trainingsalltag, gezieltem Kraftaufbau im Fitnessstudio mit Personal Trainer, Dry Needling mit Tiefenwirkung und Rückenschmerzen elimierender Osteopathie zeigt allmählich Wirkung. Schritt für Schritt.
Bei der bereits in diesem Blog beschriebenen Gratwanderung zwischen der Rückkehr zur Normalität und der Gefahr einer neuerlichen muskulären Fehl- oder Überbelastung steigt das Selbstvertrauen. Von Tag zu Tag. Von Training zu Training. Und auch die Umfänge steigen: Diese Woche werden es bereits wieder 38 Kilometer sein. Intervalle. Leichter Dauerlauf. Ausdauer. Und alles gepaart mit mehr Kraft. Viel mehr Kraft. Und Stabilität. Die «Costa Concordia in Laufschuhen» war gestern. Nichts mehr von Untergangsstimmung.

Das Höhenprofil des Zermatt-Marathon (Vergrössern durch Mausklick), der als eine der anspruchsvollsten Laufstrecken Europas gilt: In der ersten Hälfte sticht der ruppige Anstieg vor Randa ins Auge – die Krönung (auf der normalen Marathondistanz) ist der Schlussaufstieg von Riffelalp auf Riffelberg, bei dem auf drei Kilometern noch einmal über 360 Höhenmeter warten. (Quelle: www.zermattmarathon.ch)
Mein Verhältnis zur Region um Zermatt und nicht zuletzt zum Matterhorn ist voller Emotionen. Die erfolgreiche Teilnahme bei meiner Marathon-Premiere am Fusse des «Horu» im Vorjahr (Laufzeit: 6:12 Stunden) hat diese Beziehung zusätzlich aufgeladen. 2015 gilt die Veranstaltung mit ihren knapp 2000 Höhenmetern auch als Berglauf-Langstrecken-Weltmeisterschaft. Meine Medaillenchancen sind nicht mehr intakt: Nicht etwa, weil ich fünf Minuten nach dem Elitefeld (Start: 8.30 Uhr) ins Rennen gehen werde, sondern weil ich für die WM vom Landesverband hätte gemeldet werden müssen. Und der konnte es nun wirklich nicht wissen, dass ich klammheimlich den Radiergummi aus der Schublade hole …

Verliebt: Zermatt und seine Bergwelt haben es mir schon in jungen Jahren angetan. Dieses Naturschauspiel mit dem Laufsport zu verknüpfen, ist das Nonplusultra – selbst wenn der Zermatt-Marathon (wie Ortskundige längst bemerkt haben) am Stellisee gar nicht vorbeiführt …
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